Inhaltsverzeichnis:
1. Grundlagen und Einführung
1.1 Vorwort
1.2 Bisherige Betrachtungsweise
1.3 Zukünftige Betrachtungsweise
1.4 Zeitleiste
2. Lasten aus zwei Normen - Ein Vergleich
2.1 Flächenlasten
2.2 Einzellasten
2.3 Vergleich SLW60 und LM1
2.4 Zwischenergebnis
3. Bodenpressung und Lastausbreitung
3.1 Abgrenzungen
3.2 Betrachtung am Einzelrad
3.3 Überlagerung mit einem zweiten Rad
3.4 Volle Überlagerung des DIN-FB
3.5 Zwischenergebnis
4. Ausblick
5. Literaturverzeichnis
Sie möchten diesen Artikel als PDF-Dokument herunterladen? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.
1. Grundlagen und Einführung
1.1 Vorwort
Der weit verbreitete Ansatz von Ersatzflächenlasten aus Straßenverkehr für erdverlegte Rohrleitungen und Schachtbauwerke wird in absehbarer Zukunft abgelöst: An seine Stelle treten die Lastmodelle des DIN-Fachberichts 101 für Brücken, der den Schwerpunkt auf einzelne Radlasten legt. Der SLW 60 nach DIN 1072 und das Lastmodell 1 nach DIN-Fachbericht 101 werden gegenübergestellt. Es erfolgt eine exemplarische Untersuchung der Bodenpressungen sowie der Lastausbreitung für das Lastmodell 1.
1.2 Bisherige Betrachtungsweise
Speziell im Schacht- und Rohrleitungsbau ist die Lastverteilung in der Tiefe von Interesse. Bisher war (und ist) der Ansatz von Flächenlasten legitim, diese konnten recht einfach in Spannungen umgerechnet werden. Das für im Graben verlegte Rohre zuständige Regelwerk ATV-DVWK-A 127 [2] basiert im Bereich der Straßenverkehrslasten auf DIN 1072 [1].
Das A 127 weist für den Schwerlastwagen (SLW) 60 mit einer Gesamtlast von 600 kN – dies entspricht etwa 60 Tonnen – eine Gesamtfläche von 18 m² aus. Daraus errechnet sich eine äquivalente Flächenlast von 600/18 = 33,4 kN/m² (vgl. [2], Bild 1 und Tabelle 2). Auch für Schächte stellt dies einen schnell ermittelten, nachvollziehbaren Lastansatz dar. Zwar sind bereits im A 127 Achsabstände und Radaufstandsflächen angegeben; diese werden jedoch in der Rohrbemessung üblicherweise nicht verwendet.
Weiterhin trifft das A 127 Aussagen zum Rohrdurchmesser und der Spannungsverteilung über die Tiefe, was sich in den Diagrammen des Abschnitts 5.2.2.1 widerspiegelt. Besonders „kleinere“ Überdeckungshöhen werden dadurch angemessen berücksichtigt, die mittragende Rohrlänge wird über einen Korrekturfaktor erfasst.
Mithilfe recht überschaubarer Gleichungen und/oder Diagramme erhält der Anwender rasch die Bodenspannung in der vorliegenden Tiefe. In der Praxis wurden Einzellasten z. B. aus Rädern zur Vereinfachung häufig „verschmiert“.
Im aktuellen A 161 [5] ist ein Konzept verankert, dass die Länge des einzelnen Rohrelementes genauer erfassen soll. Da dabei streng genommen auch die Position von Stößen (Muffen) eine bemessungsrelevante Rolle spielt, ist dieser eher umständliche Ansatz umstritten.
1.3 Zukünftige Betrachtungsweise
Mit der Einführung der Eurocodes (EC) zum 01. Juli 2012 nebst Nationalen Anhängen (NA) werden einige nationale Normen des DIN durch europäische Richtlinien ersetzt. Auch im Rohrleitungsbau tritt allmählich das semiprobabilistische Teilsicherheitskonzept anstelle des globalen, was sich erstmals im A 161 für Vortriebsrohre zeigt.
Der DIN-Fachbericht 101 (DIN-FB, [4]) hat zwischenzeitlich die DIN 1072 abgelöst. Allmählich setzt sich die theoretische Änderung in der Praxis durch. Es wird noch eine Weile dauern, bis der SLW 60 endgültig verschwindet und an seiner statt das LM 1 als selbstverständlich angenommen wurde.
1.4 Zeitleiste
Nachfolgende Darstellung zeigt, welche Normen als Grundlage für die Arbeitsblätter der DWA dienen:
2. Lasten aus Zwei Normen - ein Vergleich
Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt aus Bild 1 der A 127 (linke Seite: SLW 60) und aus Abbildung 4.2 des DIN-FB 101 (rechte Seite: LM 1).
Im Folgenden wird als einzige Einwirkung die Verkehrslast angesetzt. Abweichend vom Hochbau hat sich als Sammelbezeichnung für veränderliche Lasten der Begriff der Verkehrslast als Last aus „echtem“ Verkehr etabliert, wobei mit „Verkehr“ Straßen-, Bahn- oder Flugverkehr gemeint sein kann. Die folgenden Festlegungen dienen als Hinweise für die im Rohr- und Schachtbau übliche Definition.
2.1 Flächenlasten
- Unendlich ausgedehnt, Angabe z. B. in kN/m²
- keine Lastabnahme über die Tiefe, konstanter Wert
- keine Überschneidungen (diese wurden sinnvollerweise bereits im Ansatz der Flächenlast selbst berücksichtigt, i. d. R. durch Aufsummieren)
2.2 Einzellasten
- Begrenzte Ausdehnung (Angabe z. B. in kN/m², jedoch räumlich eingeschränkt)
- Lastabnahme über die Tiefe
- Überscheidung mit benachbarten Einzellasten
2.3 Vergleich SLW 60 mit LM 1
Werden die beiden Fahrzeuge gegenübergestellt, so fallen einige bemerkenswerte Eigenschaften auf.
Zwar stimmen die Grundwerte von 600 kN in der Gesamtlast überein; die Berechnung erfolgt jedoch im DIN-FB 101 mit dem angepassten Grundwert, der die Gesamtlast reduziert. Damit ist das Lastmodell (LM) 1 „leichter“ als der SLW 60. Da Abmessungen und Belastungswerte – sowohl für die Betrachtung des Fahrzeugs, als auch für einzelne Räder – unterschiedlich sind, entstehen unterschiedliche Flächenlasten (Spannungen).
Für den SLW 60 (àA 127) enthält das Regelwerk klare Angaben für die Brutto-Grundfläche des Fahrzeugs; im DIN-FB 101 (àA 161) fehlen diese vollständig. Werden die Außenkanten der Räder des LM 1 zugrunde gelegt, errechnet sich die Fläche zu 3,84 m² - woraus deutlich höhere Pressungen entstehen (würden). Die Flächenlasten aus dem Einzelrad hingegen stimmen recht gut überein.
Die Brutto-Grundfläche des LM 1 lässt sich – rein theoretisch! – rückwärts über die Pressungen ermitteln: Aus dem SLW 60 mit 600 kN und 18 m² ergeben sich Spannungen von 33,3 kN/m². Bei gleicher Pressung und einer (angepassten) Gesamtlast von 480 kN beträgt die Fläche des LM 1 14,4 m².
Es wird vermutet, dass diese Umrechnung nicht im Sinne der Normverfasser ist. Daraus folgt: Das LM 1 – betrachtet als Gesamtfahrzeug – hat keine Fläche! Dennoch könnte dieser Ansatz als alltagstaugliche Lösung dienen.
2.4 Zwischenergebnis
Alleine aus den unterschiedlichen Lastmodellen sind beim Vergleich bestehender Berechnungen mit den neueren Ansätzen Abweichungen zu erwarten. Stoßfaktoren und Teilsicherheitsbewerte sowie Kombinationsfaktoren für andere Einwirkungen kommen erschwerend hinzu. Die Fahrzeuge sind nur bedingt vergleichbar.
3. Bodenpressungen und Lastausbreitung
Als Fachbericht für Brücken hat der DIN-FB 101 seine Berechtigung; die darin enthaltenen Regelungen besitzen für Ingenieurbauwerke, wie es eine Brücke zweifelsfrei ist, Gültigkeit. Die Wirkungstiefe der Einwirkungen ist durch das Bauwerk geometrisch begrenzt, das LM 1 kann sinnvoll angewandt werden.
Im Zuge einer Vereinheitlichung wird auch aus anderen Regelwerken heraus auf den DIN-FB zugegriffen. Bei vertiefter Betrachtung kann diese Herangehensweise zu Problemen führen: Nicht immer scheint der Fachbericht das geeignete Mittel zu sein.
Speziell im Rohrleitungs- und Schachtbau stellt die korrekte Berücksichtigung des LM 1 eine Herausforderung dar. Lastausbreitungswinkel, Überschneidungen und Tiefe (Überdeckungshöhe) haben maßgeblichen Einfluss auf die Bemessung erdüberdeckter Rohre. Grundlage ist Abbildung 2.
3.1 Abgrenzungen
Für die nachfolgenden Untersuchungen wurden vereinfachende Annahmen getroffen:
- Es wird alleine die Verkehrslast aus Lastmodell 1 betrachtet
- Flächenlasten sind nicht berücksichtigt (auch nicht die „gleichmäßig verteilte Last“ auf Verkehrsflächen: Diese ist konstant mit z. B. 9 kN/m² für Fahrstreifen 1 und kann bei Bedarf zur vorhandenen Spannung hinzugerechnet werden, da sich die Flächenlast mit der Tiefe nicht verringert. Das A 161 erbt die gleichmäßig verteilte Last des DIN-FB nicht.)
- Die Lastausbreitung wird vereinfachend unter 2:1 angenommen, dies entspricht einem Winkel von ca. 63° gegen die Horizontale.
- Ein evtl. vorhandener, lastverteilender (Straßen)Belag bleibt unberücksichtigt à Ausbreitung über die Tiefe t = 0 m (Niveau der Geländeoberkante, GOK) bis zur betrachteten Tiefe t = x m ist konstant.
- Das semiprobabilistische Sicherheitskonzept mit seinen unterschiedlichen Teilsicherheitsbeiwerten wird ignoriert.
- Sonstige Lasten wie Erddruck, Grundwasser oder Innendruck der Rohrleitung sind nicht Bestandteil dieser Untersuchung.
- Betrachtet wird die Hauptspur unter Fahrstreifen (FS) 1; FS 2 wird, falls erforderlich, gesondert erwähnt
Damit verbleibt ein alleiniger Bezug auf den Doppelachser selbst; dies erscheint geeignet, um das Prinzip darzustellen.
3.2 Betrachtung am Einzelrad
Die Lastausbreitung einer in der Fläche begrenzten Last – z. B. einer Radlast – bildet einen Pyramidenstumpf mit der Spitze als GOK und deren Projektion nach unten als Sockel. In der Draufsicht sind u. a. die Grundfläche an der GOK sowie die Ränder in der Tiefe zu sehen; im Schnitt wird eine Trapezfläche erzeugt.
Im vorliegenden Fall des LM 1 ist die Grundfläche mit 40x40 cm quadratisch; die über den Lastausbreitungswinkel und die Tiefe definierte Projektionsfläche ist ebenfalls quadratisch und wächst quadratisch an, wie nachstehende Ermittlung für 120 kN Radlast (halbe Achslast nach LM 1) und eine Lastausbreitung von 1:2 zeigt:
- Tiefe: 0 m Fläche: 0,16 m² Spannung: 750 kN/m²
- Tiefe: 1 m Fläche: 1,96 m² Spannung: 61,2 kN/m²
- Tiefe: 5 m Fläche: 29,16 m² Spannung: 4,12 kN/m²
- Tiefe: 10 m Fläche: 108,16 m² Spannung: 1,11 kN/m²
Mit zunehmender Tiefe verringert sich die Bodenspannung aus der Radlast aufgrund wachsender Kantenlänge des Pyramidensockels. Dadurch wird die Last auf eine größere Fläche verteilt.
3.3 Überlagerung mit einem zweiten Rad
Abhängig vom Abstand zwischen den Einzellasten, dem Lastausbreitungswinkel und der Bodenbeschaffenheit, der Grundfläche der Last an der GOK und betrachteter Tiefe überschneiden sich die Kegel benachbarter Einzellasten. Diese Überschneidung lässt sich rechnerisch ermitteln und grafisch darstellen.
Abbildung 3 zeigt einen Sprung von 56,5 kN/m² bei t = 0,59 m auf 111,1 kN/m² bei t = 0,60 m. Während sich bei t = 0,59 m die Pyramidensockel gerade noch nicht berühren, liegt bei t = 0,60 m bereits eine Berührung/Überschneidung vor. Die blaue Linie in der Abbildung stellt den Verlauf der ungestörten Einzellast dar; die rote Linie berücksichtigt die Verdoppelung der Spannungen.
Die mit wachsender Tiefe rückläufige Einzelspannung wächst durch die Überschneidung sprunghaft an, im Falle zweier gleich hoher Einzellasten auf den doppelten Wert. Für zwei Radlasten reicht die Vorstellungskraft meist aus; werden es drei und mehr Lasten, die im Schnitt möglicherweise versetzt angeordnet sind, sind grafische Hilfsmittel erforderlich.
3.4 Volle Überlagerung des DIN-FB
Das vollständige Lastmodell 1 besteht aus zwei Fahrstreifen mit je einem Fahrzeug, siehe Abbildung 2. Für eine Fahrstreifenbreite von 3,0 m wurden Tabellen und Diagramme erstellt. Die Überschneidungen der Lastausbreitungskegel zeigt Abbildung 4.
Ein gedanklicher Schnitt quer durch beide Fahrstreifen ist in Abbildung 4 dargestellt. Dabei wird eingangs nur eine Achse des Fahrzeugs betrachtet. Die Abstände sind skaliert. In der Legende werden vier einzelne Räder an der GOK den Verlaufslinien zugeordnet. Zahlenwerte geben die Anzahl der Räder an, die in diesem Bereich zu berücksichtigen sind. Der Spannungssprung aus Abbildung 4 findet an jeder dieser Stellen statt.
Bei einer Tiefe von 1,40 m, 2,40 m und 4,40 m treten eindimensional Überschneidungen auf. Die Darstellung endet bei 5,0 m; beispielhaft kann hier einer von vier Spannungswerten maßgebend werden – je nachdem, ob die einzelne Radlast oder die Überlagerung mehrerer Radlasten zu einem Maximum in der Bezugstiefe führt.
Abweichend von den oben genannten Abgrenzungen liegt Abbildung 4 ein lastverteilender Belag mit einer Höhe von 20 cm zugrunde (Empfehlung A 161). Innerhalb des Belags erfolgt die Ausbreitung 1:1, darunter 1:2. Der orange schraffierte Bereich verdeutlicht den Einfluss der zweiten Fahrzeugachse: In einer Tiefe von 60 cm findet eine Verdoppelung statt, welche sich zweidimensional kaum darstellen lässt. Folgerichtig können auch die Zahlenwerte 1-4 verdoppelt werden: An der Grenze von FS 1 und FS 2 sind acht Räder zu überlagern.
3.5 Zwischenergebnis
Die Nachvollziehbarkeit zweidimensionaler Berechnungen und Grafiken scheitert an den begrenzten Darstellungsmöglichkeiten. Zwar ist das LM 1 regelmäßig aufgebaut: Abstände und Dimensionen lassen sich an Längs- und Querachse des Fahrzeugs spiegeln. Bei vertiefter Betrachtung bedarf es jedoch weiterer Überlegungen:
- Belastungen auf FS 1 und FS 2 sind unterschiedlich (120 kN zu 80 kN Radlast)
- Vollständige Neuberechnung für Fahrstreifenbreiten < 3 m erforderlich
- Allgemeine Lastbilder für Sonderfahrzeuge mit asymmetrischem Aufbau (Stapler, Reachstacker, Flugzeuge)
- Ausbreitung im Straßenbelag z. B. unter 1:1, darunter 1:2 oder beliebig, je nach Boden
Sollen nichtlineare Ausbreitungen genauer untersucht werden, so empfiehlt sich eine Betrachtung mit der Methode der Finiten Elemente (FEM).
4. Ausblick
Ein Vergleich von SLW 60 und LM 1 ist nur eingeschränkt möglich, dies zeigt obige Gegenüberstellung auf. Bodenspannungen aus dem LM 1 zu ermitteln, ist mit erheblichem Mehraufwand verbunden; Handrechnungen oder einfache Kontrollen sind kaum noch durchführbar.
Die Komplexität der Thematik reicht aus, eine Masterarbeit zu füllen. Möglicherweise bewährt sich die hier ausgesprochene Empfehlung, die Spannungen unter LM 1 vereinfachend über eine Ersatzfläche von 14,4 m² zu ermitteln. Der täglichen Anwendung wäre damit gedient.
Derzeit bleibt nur die Zwischenlösung, das LM 1 ingenieurmäßig zu erfassen. Es gilt auf zuständige Stellen, Gremien und Arbeitsgruppen einzuwirken, um einen dauerhaft sinnvollen, nachvollziehbaren Lastansatz zu erhalten. Ob der ursprünglich für Brücken konzipierte DIN-FB 101 für Schächte und Rohrleitungen gleichermaßen geeignet ist, wird sich zeigen.
Literatur:
[1] DIN 1072: Straßen- und Wegbrücken; Lastannahmen, Dezember 1985
[2] Arbeitsblatt ATV-DVWK-A 127: Statische Berechnung von Abwasserkanälen und –leitungen, August 2000
[3] DIN 1055-100: Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 100: Grundlagen der Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln, März 2001
[4] DIN-Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken, März 2009
[5] Arbeitsblatt DWA-A 161: Statische Berechnung von Vortriebsrohren, September 2010